Mikroabenteuer in Deutschland: Schnell weg vom Schreibtisch!

„Baum fällt!“ – wie und warum Dein Wanderweg manchmal gesperrt wird
10. Mai 2022
Bachlauf

Das Internet ist voll von Videos und Blogs über große Abenteuer: Menschen streifen durch Wüsten, den Himalaya oder die Wälder Alaskas und Kanadas und teilen das der Welt mit, während wir meistens nur zuschauen können. Dem Selbstmachen stehen viele Dinge im Wege: Zeitmangel, hohe Kosten oder auch begrenzte Vorkenntnisse.

Da ist gut, dass es auch mehrere Nummern kleiner geht! In Deutschland gibt es viele Möglichkeiten für sogenannte Mikroabenteuer, oder „micro adventures“.  Erfunden wurden sie vom britischen Abenteurer und Schriftsteller Alastair Humphreys. Er selbst ist unter anderem einmal um die Welt geradelt und über den Atlantik gerudert, wendet sich damit aber an Normalsterbliche. Die Idee: Mikroabenteuer kosten uns kaum was und wir können sie auch mal als Bereicherung für den stressigen Alltag nach dem Feierabend oder zumindest am Wochenende umsetzen. Du kannst den Indiana-Jones-Hut also unter dem Schreibtisch aufbewahren, statt ihn nur für die Ferien hervorzuholen.

Der Motivationscoach Christo Foerster übertrug das Konzept auf Deutschland und stellt in seinem Buch „Raus und machen“ neben Abenteuerideen auch drei Grundregeln für Mikroabenteuer vor:

  1. Ein Mikroabenteuer ist ein Outdoor-Abenteuer, das mindestens acht, aber maximal 72 Stunden dauert.
  2. Es werden weder Auto noch Motorrad oder Flugzeug benutzt. Öffentliche Verkehrsmittel sind erlaubt.
  3. Ist eine Nacht dabei, wird sie ohne Zelt draußen verbracht.

Diese Regeln lassen Dir viel Spielraum, Du kannst Dir z. B. ein Mikroabenteuer ausdenken, dass besondere Ausrüstung erfordert, z. B. Kletterwerkzeuge oder Kanus, die Du inzwischen vielerorts mieten kannst. Aber es geht auch noch einfacher – gerade jetzt zum beginnenden Sommer: Schnell zu Fuß ab nach draußen! Damit wird jede heimische Landschaft zum Schauplatz des Abenteuers.

Hier nun ein paar Abenteuer-Anregungen und auch Antworten, welche Rechte Du beim Naturgenuss in Wald und Feld hast:

Neue Strecken suchen

Viele von uns haben ihre Standardrunde, auf der sie immer wieder Joggen oder Spazieren. Das ist zwar gesund, aber kein Abenteuer. Der Trick bei einem Mikroabenteuer zu Fuß ist, auch mal eine längere oder unwegsamere Strecke zu nehmen, die Du dir körperlich gerade noch zutraust. Hilfreich dabei: Anders als früher ist das Risiko, sich zu verirren, gering, da Du im schlimmsten Fall das Handy auspacken und Dir Deine Position anzeigen lassen kannst. Wir empfehlen aber um des Abenteuers willen, das nur zu tun, wenn Du tatsächlich Gefahr läufst, die Orientierung zu verlieren, und sonst den Weg ohne elektronische Hilfe zu suchen.

Den Weg zu einem bestimmten Ziel selbstständig zu finden, z. B. mit Karte und Kompass, kann Teil des Abenteuers sein. Ein solcher Orientierungslauf könnte als Ziel ein anderes kleines Abenteuer, wie eine Kletterwand, haben, oder auch einen Übernachtungsort.

Weitere Ideen

  • Verabrede dich mit einem Freund zum Sonnenaufgang an einem Aussichtspunkt im Wald! Beide brechen in aller Herrgottsfrühe jeweils bei sich zuhause auf: Kaffee oder Tee in die Thermoskanne füllen, losgehen oder radeln, pünktlich am verabredeten Ort aufschlagen und zu zweit ein Waldfrühstück mit den ersten Sonnenstrahlen genießen.
  • Laufe durch den Wald, bis du Fotos von 10 verschiedenen Baumarten gemacht hast! (Für Profis: Im Winter, wenn sie keine Blätter tragen).
  • Laufe zumindest Teile einer Strecke barfuß durch den Wald!
  • Mache eine Tour bis zu einem Punkt am Horizont! Wenn Du aus dem Fenster schaust, siehst du am Horizont vielleicht einen Berggipfel oder im Flachland ein hohes Gebäude. Schlage kurz die Entfernung nach und mache dich dann je nach Distanz und Leistungsfähigkeit zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf den Weg!

Wege verlassen, umweltschonend: selten und nur zu Fuß!

Wald an

Stichwort Weg: So mancher Abenteurer möchte die Wege auch einmal zu verlassen, im wahrsten Sinne des Wortes also „off the beaten track“ unterwegs sein.

Und das ist in Deutschland tatsächlich oft erlaubt, solange Du zu Fuß unterwegs bist (mit dem Rad ist es anders, siehe unten). Besonders im Wald ist die Betretung sehr liberal geregelt: Der Weg darf zu Fuß das ganze Jahr über verlassen werden, sofern es kein Naturschutzgebiet oder ähnliches ist – dann weisen meist Schilder vor Ort auf das Verbot hin. Wie genau es mit solchen Ausnahmen zum Betretungsrecht aussieht, hängt allerdings vom Bundesland ab, es kann nicht schaden, sich darüber zu informieren.

Nur, dass das Verlassen der Wege erlaubt ist, macht es aber nicht unbedingt zu einer guten Idee. Durch die großen Waldschäden der vergangenen Jahre ist der Wald in einer schwierigen Lage. Ihn zu schonen, indem Du auf den Wegen bleibst, hilft ihm bei der Regeneration. Das Verlassen der Wege sollte also ein Abenteuer bleiben und nicht zur Regel werden.

Beispielsweise kannst Du Dir mit einem einmaligen Abstecher durch den Wald bei bekannten Routen neue Perspektiven und Aussichten erschließen, z. B. wenn es ein bewaldeter Hügel ist, auf dessen Gipfel Du noch nie warst, weil dort kein Weg verläuft. Oder Du planst den Abstecher vorher mit einer Wanderkarte als eine bewusste Abkürzung zu deinem Ziel.

Wichtig ist: Wenn Du den Weg verlässt, bitte nicht auf junge Bäumchen treten! Denn viele Wälder in Deutschland sind in einer wichtigen Phase der Umstellung: Es werden mehr Mischwälder angelegt, um in Zukunft große Waldschäden hoffentlich vermeiden zu können. Hierzu pflanzen die Waldbesitzer entweder aktiv die Baumarten, die für die vor Ort geeignete Mischung noch fehlen, oder pflegen die von der Natur ausgesäten Nachwuchsbäumchen, falls diese bereits eine gute Mischung aufweisen. Durch diese Anpassung an den Klimawandel können die Wälder in Zukunft auch mehr von dem klimaschädlichen Treibhausgas Kohlenstoffdioxid aufnehmen und speichern.

Bitte breche oder hacke ebenfalls keine Äste oder Sträucher ab, um dir den Weg bequemer zu machen. Lasse die Natur so wie Du sie vorfindest. Der wahre Abenteurer hinterlässt keine Spuren.

Niedrigen Bewuchs, wie eben junge Bäumchen, zu umgehen empfiehlt sich ohnehin, da es die Chance senkt, dass Du Dir Zecken einfängst. Wir sind hier nicht im Dschungel: Da der deutsche Wald durch Bewirtschaftung gut gepflegt wird, ist er nur an wenigen Stellen komplett überwachsen, normalerweise findest Du ein paar Meter neben einem Dickicht einen gangbaren Weg unter hohen Bäumen. Daher ist es auch nicht nötig, Äste oder Sträucher abzubrechen oder abzuhacken, um irgendwo durchzukommen. Lasse die Natur so wie Du sie vorfindest. Der wahre Abenteurer hinterlässt keine Spuren.

Am besten ist es auch, wenn Du das Querfeldeingehen auf den hellichten Tag beschränkst und immer auf den Wegen bleibst, wenn Du zwischen Abend- und Morgendämmerung unterwegs bist. Denn in diesen Zeiten sind die Tiere des Waldes am aktivsten. Werden z. B. Rehe aufgeschreckt, müssen sie die verlorene Energie durch das Anknabbern kleiner Bäumchen kompensieren, was die beschriebene Walderholung bremst.

Der Schutz der Tiere des Waldes (und damit indirekt der Bäumchen) ist übrigens auch der Grund, warum etwaige vierbeinige Mitabenteurer immer angeleint sein sollten. Denn auch ein braver Hund folgt beim Geruch von Reh oder Wildschwein manchmal dem Ruf der Natur.

Querfeldein auf ungenutzten landwirtschaftlichen Flächen

Auch landwirtschaftliche Flächen darfst Du im Rahmen Deines Abenteuers zu Fuß überqueren, aber anders als Wald nur, sofern sie zum jeweiligen Zeitpunkt ungenutzt sind. Dann bieten solche Flächen aber unter Umständen ebenfalls neue Aussichten oder praktische Abkürzungen zum nächsten Zwischenziel, da Du statt auf verschlungenen Pfaden direkt darauf zugehen kannst.

Was aber heißt ungenutzt? Das kommt auf die Landnutzungsform an: Äcker z. B. gelten zwischen Aussaat und Ernte als genutzt. Während dieser Zeit muss man auf den Feldwegen bleiben, andernfalls würden die angebauten Pflanzen geschädigt. Ein geerntetes Feld dagegen darf bis zur nächsten Aussaat überquert werden. Wiesen und Weiden gelten als genutzt, sobald das Gras zu wachsen beginnt, was etwa im März der Fall ist. Erst etwa im Oktober, also nach der letzten Mahd bzw. nachdem die Weidetiere für den Winter zurück in den Stall kommen, dürfen sie wieder betreten werden. Als Faustregel kann also gesagt werden, dass Du bei Äckern und Grasland zumindest im Winter auf der sicheren Seite bist, wenn Du querfeldein läufst. Anders ist es bei sogenannten Sonderkulturen wie Weinbergen oder Obstgärten. Diese gelten das ganze Jahr über als genutzt, dort dürfen die Wege also nie verlassen werden!

Oft kannst Du auch landwirtschaftliche Flächen finden, die an Bäche oder Flüsse grenzen. Lauf doch einmal einen ganzen Tag am Flussufer entlang. Zur einen Seite hast Du dann die Feldlandschaft und zur anderen den Fluss. Am Außenrand der Felder machst Du auch nichts kaputt. Was es da wohl alles zu erleben und entdecken gibt!?

Hilfsmittel Fahrrad: Lange Strecken auf den Wegen

Ein Fahrrad zu nutzen, vergrößert den Aktionsradius für Mikroabenteuer schlagartig, wodurch viele weitere interessante Orte in Reichweite rücken. Sicher eine gute Idee.

Allerdings gilt das oben erwähnte Betretungsrecht nicht für Räder, mit diesen musst Du auf den Wegen bleiben, in manchen Bundesländern müssen die Wege sogar eine Mindestbreite haben. Das dient dem Schutz des Waldes: Fahrräder richten an Boden und Pflanzen ungleich mehr Schaden an als Fußgänger.

Daher empfiehlt es sich, die Route eines Radabenteuers vorab sorgfältig zu planen, z. B., um legale Downhill-Strecken für Mountainbiker in die Route einzubeziehen.

Eine weitere Möglichkeit sind kombinierte Abenteuer: Das Rad wird am Anfang auf den Wegen genutzt, dann am Übernachtungsplatz abgestellt und es geht zu Fuß weiter, oder so ähnlich. So kannst Du den Vorteil des Fahrrads – mehr Reichweite – mit dem Vorteil des Zufußgehens – mehr betretbare Flächen – kombinieren.

Wir wünschen viel Spaß bei Deinen Mikroabenteuern!

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Mann mit Kapuze posiert im WaldStockPhotoProAdobe Stock
Bunter Feldrand am Rande eines StoppelfeldesRuud MorijnAdobe Stock
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